International gesehen haben alle Länder der Welt (ausser den USA) die Kinderrechte ratifiziert. Mehr dazu hier
Längst nicht alle davon haben das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung (Artikel 19, UNO-KRK) gesetzlich verankert.
Nach Schätzungen von UNICEF erleben weltweit rund drei von vier Kindern regelmäßig Gewalt durch Erziehungsberechtigte und andere Erziehende. Miteinbezogen dabei sind nebst körperlicher Gewalt auch Formen von psychischer Gewalt – Kinder anschreien, beschimpfen, demütigen, etc.. Sechs von zehn Kindern sind regelmäßig Opfer von körperlicher Züchtigung durch ihre Eltern oder andere Betreuer:innen.
Bisher verbieten laut der Global Initiative to End All Corporal Punishment erst knapp 70 Länder weltweit Körperstrafen in allen Bereichen – also auch zu Hause. In Bezug auf körperliche Strafen in der Schule sieht die Situation erfreulicher aus. In 136 Ländern sind solche Bestrafungen verboten. Nur 14 % der Kinder in der Welt sind gesetzlich vollständig vor körperlicher Züchtigung geschützt. 76% der Kinder sind in einigen Bereichen geschützt, während 10% in verschiedenen Bereichen ihrer Lebenswelt körperliche Bestrafungen erleiden müssen.
In der Europäischen Union (EU) haben 23 von 27 Staaten das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert. Aktuell kennen weitere 13 europäische Nicht-EU-Staaten einen entsprechenden Gesetzesartikel.
Als gute Beispiele für Länder mit einem gesetzlichen Verbot von Körperstrafen können folgende Länder dienen:
Schweden
Schweden war das erste europäische Land, welches ein solches Gesetz eingeführt hat:
„Das Kind darf weder einer körperlichen Bestrafung noch einer sonstigen herabsetzenden Behandlung ausgesetzt werden.“
Die Verordnung aus dem Jahr 1979 soll allen Kindern eine positive Erziehung ermöglichen, aber Erwachsene auch vor Kindesmisshandlung abschrecken. Das Gesetz hatte seither verschiedene positive Auswirkungen. Bereits zwei Jahre nach der Einführung war das Gesetz in der schwedischen Öffentlichkeit allgemein bekannt und schien wenig umstritten zu sein. 1988 konnte festgestellt werden, dass Kindesmisshandlungen schneller gemeldet werden und deren Behandlung durch früheres Eingreifen erleichtert wird. Bis heute werden Kinder, welche dem Risiko von Misshandlung ausgesetzt sind, aufgrund der eindeutigen Grenzziehung zwischen erlaubten und nichterlaubten Erziehungsmassnahmen schneller erkannt.
Das Gesetz bewirkte all diese Entwicklungen aber nicht alleine, sondern war Teil einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema. Nach dessen Einführung wurde dem Gesetz viel Aufmerksamkeit geschenkt. Nebst grossflächig verteilten Broschüren wurde es sogar auf Milchpackungen gedruckt, damit es in den Familien diskutiert würde. Eltern und Kinder wurden in der Schule informiert. Die öffentliche Einstellung gegenüber körperlicher Züchtigung konnte so breit geändert werden. Das Gesetz soll als Ermutigung für Eltern gelten, sich Hilfe zu holen und mit ihren Problemen nicht alleine klarkommen zu müssen.
Österreich
Österreich kennt bereits seit 1989 ein Gewaltverbot in der Kindererziehung:
„Das minderjährige Kind hat die Anordnungen seiner Eltern zu befolgen. Die Eltern haben bei ihren Anordnungen und deren Durchsetzung auf Alter, Entwicklung und Persönlichkeit des Kindes Bedacht zu nehmen; die Anwendung von Gewalt und Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig.“
Mit diesem Gesetz werden alle repressiven Massnahmen im Sinne von Strafen wie Ohrfeigen oder Schläge ausdrücklich verboten. Zudem müssen alle anderen Erziehungsmassnahmen an das Alter, die Entwicklung und Persönlichkeit des Kindes angepasst sein. Die hier vertretene gewaltfreie Erziehung ist aber keinesfalls mit antiautoritärer oder konfliktfreier Erziehung gleichzusetzen.
Betroffene Familien sollen wenn immer möglich frühzeitig auf unterstützende Hilfe aufmerksam gemacht werden, um so ihre Erziehungsmuster durchbrechen zu können. Dennoch sind aber auch familienrechtliche Massnahmen oder gar strafrechtliche Verfolgung als Sanktionen denkbar, wenn sich Eltern nicht an das Züchtigungsverbot halten.
Deutschland
In Deutschland lautet das Gesetz seit dem Jahr 2000 folgendermassen:
„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Massnahmen sind unzulässig.“
Bereits 1980 wurde der Begriff „elterliche Gewalt“ durch „elterliche Sorge“ ersetzt. Zusätzlich wurde der Satz „Entwürdigende Erziehungsmassnahmen sind unzulässig“ ins Gesetz eingeführt. Damit gab es nicht mehr wie bisher ein Züchtigungsrecht im Gesetz, welche die körperliche Bestrafung von Kindern erlaubt. Es dauerte aber nochmals 20 Jahre bis das Gesetz formuliert wurde, welches die Anwendung von Körperstrafen verbietet. Das war am 8. November 2000.
Das Ziel ist es, alle Leute über dieses Thema zu informieren. Jedem Erwachsenen soll klar sein, dass in der Erziehung kein Platz ist für Prügelstrafen und körperliche und seelische Misshandlungen. Eine Umfrage bei 3000 Eltern ein Jahr nach der Einführung des Gesetzes zeigte einen deutlichen Wertewandel in Richtung einer gewaltfreien Erziehung. Über 85% der Eltern befürworten einen solchen Erziehungsstil und ebenso viele meinten, dass Eltern lieber mit ihren Kindern reden sollten. Die Umfrage zeigte auch, dass Eltern im 2001 weniger häufig körperlich straften als 1996. Die Jugendlichen bestätigten diese Aussagen.
Dieses Ergebnis ist natürlich nicht nur auf das Verbot von Körperstrafen zurückzuführen, sondern auf einen allgemeinen Wertewandel in den Jahren davor, welcher aber auch durch die Diskussion um eine Abschaffung des Züchtigungsrechts beeinflusst wurde.
LEITUNG & BERATUNG
Madleina Brunner Thiam | madleina.brunner@ncbi.ch
Anina Schmid | anina.schmid@ncbi.ch
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